Mittwoch, April 15, 2009

Kleiner Schreibfetzen Nr. 1.

Sabine Weiß, die das Buchcover illustriert hat, hat sich von einer Szene inspirieren lassen, in der eine der Hauptpersonen eingeführt wird: Halabet, der Silberkrieger, der seine Herrin Theadra zum Jahresfriedensfest nach Berogond begleitet hat, beobachtet, wie die Protagonistin (die Söldnerin Berai) mit Eaos, dem Sohn eines Silberfürsten von einem Ausritt heimkehrt. 

Unter einem großen Baum stand ein selbst für einen Silbernen sehr großer und breitschultriger Mann. Er lehnte an der zerfurchten Rinde und zerpflückte mit Händen, die das Führen von Schwertern gewohnt waren, eine gelbe Rose in ihre Einzelteile. Während die übel zugerichteten Blätter zu Boden fielen, blickte er hinüber zum Stall zu der Frau und zu Eaos, seinem Freund aus alten und jungen Tagen. 
Der Silberne, sein Name war Halabet, wirkte leidenschaftslos und kalt. Sein schönes Gesicht mit den grünen Augen wurde umrahmt von hellem, langem Haar, so hell, dass es fast weiß wie Schnee wirkte, von kaltem Glanz wie eine Klinge aus poliertem Silber. Keine Regung zeigte sich in seinem Gesicht, und so wirkten die eisigen Farben seines Antlitzes als wäre er selbst vor langer Zeit erfroren. Tatsächlich entsprach dies fast den Tatsachen, jedenfalls so weit es sein Innerstes anging. Denn Halabets ehemals empfindsame Seele war während des letzten großen Krieges stumpf geworden am Leid seiner Freunde, seiner Familie, seines Volkes und nicht zuletzt auch an seinem eigenen Leid, denn er verlor vieles, was ihm teuer war. Viele Wochen hatte er getrauert und geweint, und übrig geblieben schien nur eine glatte Außenhülle an der nichts sich mehr reiben konnte. 
Die Arroganz, die dem unsterblichen und mit so vielen Talenten ausgestatteten Volk der Silbernen innewohnte, doch unter höflichen Umgangsformen verborgen wurde, war bei Halabet an die Oberfläche seines Seins geraten. Er lebte nunmehr das Leben eines Mannes, der glaubte, nichts tun zu können, was er nicht bereits getan, nichts sagen zu können, was er bereits gesagt und nichts denken zu können, was er nicht bereits gedacht hatte. So erfüllte er seine Pflicht - der Schutz des Flüsternden Waldes und seiner Herrin Theadra vor versprengten Gula-Banden und anderen unerwünschten Gästen - verlässlich und gründlich, aber auch mit grausamer Entschlossenheit. 
Am Leben fühlte er sich einzig im Blutrausch des Kampfes in dem seine Gegner einen Tod starben, den er für sich selbst so sehnlich wünschte. Nur noch schwach glomm ein warmer Funken in seinem Inneren und stach dann und wann schmerzhaft in sein Herz. Doch heute war kein Tag des Schmerzes, und ohne Regung und Empfindung trat er nun auf das Paar zu, das er seit kurzer Zeit beobachtet hatte. 

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